Oft werde ich gefragt: "Wie ist Valdivia?" Nachdem ich knapp 5 Monate dort gelebt habe, möchte ich kurz Schlüsse ziehen über die Lebensqualität und das Freizeitangebot. Selbstverständlich sind dies alles persönliche Eindrücke und Meinungen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Ich weiss auch, dass viele Leute eine ganz andere Meinung haben als ich. Hier also meine Bewertung:
Positives über die Lebensqualität:
+ der öffentliche Nahverkehr ist sehr preiswert, die Taxis sind die billigsten in ganz Chile. Allerdings fährt die Micro in Valdivia nur bis ca. 20 Uhr (nicht wie in anderen Städten die ganze Nacht durch), was bedeutet, dass man danach auf Colectivos angewiesen ist. Wenn ich zum Schwimmen fahre, zahle ich auf dem Hinweg 170 $ (40 ct) mit Studententarif in der Micro und auf dem Rückweg 800 $ (1,10 Euro), weil ich da zwei verschiedene Colectivos, die jeweils $ 400 kosten, nehmen muss. Wenn man mit dem Taxi unterwegs ist, zahlt man normalerweise höchstens 3.000 $ (ca. 4 Euro).
+ die Uni schafft ein jugendliches und lebhaftes Flair in der Stadt und ist ausserdem der wichtigste Arbeitgeber in der Region
+ die Abdeckung durch Supermärkte ist gut, das heisst, man hat es nie besonders weit zum Einkaufen. Es sind auch fast alle chilenischen Supermärkte vertreten, aber ein Jumbo fehlt. Jumbo ist der grösste Supermarkt mit der besten Auswahl, manche Produkte bekommt man eben nur dort. Wenn man also was spezielles braucht, müsste man 2 Stunden mit dem Bus nach Osorno fahren.
+ es gibt ein relativ breit gefächertes Sportangebot. Es gibt verschiedene Fitnessstudios, man kann Rudern, Tanzen, Klettern, Yoga machen und Kampfsport ausüben. Alle anderen Sportarten (Mannschafts-und Ballsportarten) gibt es allerdings nur für Studenten. Soweit ich weiss, gibt es keinen Vereinssport oder eine andere Möglichkeit für Erwachsene, Sport zu machen. Fahrrad fahren oder Joggen kann man allerdings vergessen, ausser man gehört zu den ganz Harten, denen der Regen beim Sport nichts ausmacht.
+ / - das gastronomische Angebot: es gibt für jeden Geldbeutel etwas, man wird immer satt, allerdings darf man nichts Exquisites oder etwas Neues oder Innovatives erwarten. Und irgendwann hat man natürlich alle Lokale durch.
+ der Fischmarkt "Mercado fluvial": Man bekommt preiswerten Fisch in ausgezeichneter Qualität und Frische, ausserdem eine breite Auswahl an Meeresfrüchten. Wenn man nicht selbst kochen möchte, kann man sehr preiswert in den kleinen Lokalen direkt gegenüber die frisch zubereiteten Gerichte verzehren.
+ für Asados gibt es keine Grenzen. Grillen oder Kochen zu Hause kann man immer und das wird auch gemacht. Das Leben zu Hause wird ausgelebt, man trifft sich öfters, um einfach nur gemeinsam zu abend zu essen oder ein Bierchen zu trinken.
Nachteiliges über die Lebensqualität:
- das Wetter. Es regnet. Und regnet. Und regnet. Wenn man Glück hat, dauert der Sommer 2 Monate, aber dieses Jahr ist es quasi ausgefallen, es gab ein paar sonnige Tage, aber insgesamt waren die Temperaturen eher wünschenswert. Die restlichen 10-11 Monate übersteigen die Temperaturen kaum die 20 °. In den 5 Monaten konnte ich an 3 Tagen ohne Winterjacke vor die Tür gehen. Es regnet zwar keine 24 Stunden durch, man kann durchaus mal ein paar sonnige Stunden haben am Tag. Dann regnet es aber wieder eine ganze Woche ununterbrochen. Wer den Regen mag, wird Valdivia lieben! Am Anfang ist es nicht so schlimm, aber wenn es sich monatelang überhaupt nicht bessert, schlägt das auf die Stimmung.
- die Leute sind nicht ganz so nett wie in anderen Teilen von Chile. Das liegt am Klima. Man merkt den Unterschied in der Lebenseinstellung. Das soll aber nicht heissen, dass die Leute unfreundlich sind oder keinen Spass am Leben haben, ganz im Gegenteil, es wird ordentlich gefeiert und es gibt seeeehr viele liebenswerte Personen. Gerade, wenn man jemanden etwas näher kennenlernt, sind die Leute sehr liebenswürdig, überaus freundlich, gastfreundlich, offen und gut drauf. Ich beziehe mich nur auf die formale Behandlung im Supermarkt, den Läden, im Restaurant oder Taxi/Bus/Colectivo. Da kann einen durchaus mal eine griesgrämige Person treffen oder es kann passieren, dass man schlecht bedient wird. In anderen Regionen von Chile ist mir sowas noch nicht passiert.
- man kann nicht shoppen gehen oder einen Schaufensterbummel machen, zumindest nicht, wenn man deutsche Einkaufsstrassen gewohnt ist. In Valdivia gibt es keine schönen oder modischen Läden. Klamotten kann man eigentlich nur in der Mall kaufen.
- Man bekommt in Valdivia eigentlich alle Dinge des täglichen Bedarfes. Wenn man allerdings etwas Spezielles braucht, wie zum Beispiel ein Ersatzteil für Computer, Kamera oder Auto braucht oder einfach nur Kopfhörer für den Ipod, muss man eigentlich direkt nach Santiago gehen. Und wenn irgendeines dieser Geräte kaputt geht und es ein Garantiefall ist, wird es auch nach Santiago geschickt und man muss 2 Monate darauf verzichten. Leihgeräte gibt es natürlich keine. Wenn man also auf seinen Computer angewiesen ist, muss man die Reparatur privat bezahlen.
Wenn man über Freizeitgestaltung reden will, finde ich, dass Valdivia ziemlich beschränkt ist. Abgesehen von den Dingen, die ich schon genannt habe, kann man folgende Sachen kann man unternehmen:
+ Botanischer Garten: Ist einen und auch noch weitere Besuche wert. Ideal zum Entspannen.
+ Parque Oncol: Naturpark zum Wandern und Canopy machen
+ Niebla: Fuerte, Strand und Feria municipal
+ Los Molinos und Corral: Küstenorte, die einen Besuch wert sind
+ Besuche in weiteren Orten in der Umgebung
+ Schiffsrundfahrt von Valdivia aus
+ 2 interessante Museen in der Isla Teja: Museo de Arte Contemporanea mit unterschiedlichen Ausstellungen und Museo Historico, direkt nebendran
+ im Sommer gibt es verschiedene kulturelle Veranstaltungen: Bierfest, Semana Valdiviana. Ausserdem gibt es jedes Jahr ein Festival de Cine und ein Festival de Musica.
irgendwann hat man allerdings alles das schon durchgemacht. Und sonst kann man nicht viel machen:
- das einzige Schwimmbad hat ziemlich dreckiges Wasser und für die Öffentlichkeit sind nur 2 Bahnen frei. Ok, es gibt aber eine Sauna und ein Dampfbad. Beides kostet 5 Euro. Das Freibad macht am 15. Dezember auf und ist von 15- 19 Uhr geöffnet.
- es gibt ein Kino, wo etwa 5 Filme gezeigt werden. Die bekannten Filme kommen aber erst mit 2 Monaten Verspätung nach Valdivia. Wenn überhaupt. Es gibt ein alternatives Kino in der Uni, wo nationale und Budget-Produktionen gezeigt werden.
Wenn man sich mit diesen Gegebenheiten abfindet, lernt man es, seinen Alltag neu zu gestalten und sich an die Situation anzupassen. Es ist nicht so leicht, sich einzugewöhnen, aber wenn man weiss, worauf man sich einlässt, kann man besser damit umgehen. Abgesehen davon muss natürlich jeder seine eigenen Erfahrungen machen und ich weiss auch, dass viele Leute meine Ansichten nicht teilen.
Also, diese Bewertung / Beschreibung ist ohne Gewähr, wollte nur eben meine Erfahrungen zusammenfassen und mitteilen. Jetzt, wo meine Ferien dem Ende zugehen (nur noch 2 einhalb Wochen), bereite ich mich auf den Neuanfang in Valdivia vor und das geht natürlich nicht ohne die Vergangenheit zu verarbeiten. Nach dem Semester sind wir ja blitzartig nach Kolumbien verschwunden und haben einfach alles hinter uns gelassen. Und hier in Viña waren wir einfach viel zu beschäftigt, unsere Ferien zu geniessen und zu entspannen.
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