Gedanken übers Jetzt, die Auswanderung....
Hier hab ich mein Leben in der Hand: Ich kann es selbst steuern, habe Handlungsfreiheit innerhalb des Möglichen und habe mir deshalb zum Ziel gesetzt, das Beste daraus machen. Diese Zeit zu einer schönen Zeit zu machen. Zu einer Zeit, an die ich mich später gerne erinnere. Und so ist es hier: Seit der November angefangen hat und mir klar geworden ist, dass uns noch etwa ein Monat in Valdivia fehlt, versuche ich, die Zeit besser auszunutzen. Wenn einem bewusst wird, dass eine Phase zu Ende geht, lernt man das Jetzt zu schätzen und geniesst es mehr. Vorher hatte ich ja mehr so eine Phase, wo ich Deutschland vermisst hab und wo mich ein paar Dinge hier gestört haben und ich mich nicht wirklich so ganz eingelebt hatte. Aber jetzt, würde ich sagen, bin ich den nächsten Schritt gegangen: Ich habe es akzeptiert. Ich akzeptiere Chile, so wie es ist, mit allen Vorteilen und Nachteilen gegenüber Deutschland oder anderen Ländern und ich geniesse es, hier zu sein. Es war gar nicht so leicht, an diesen Punkt zu gelangen. Hab mir immer vorgestellt, dass unsere "Auswanderung" einfach werden würde und dass wir es gut schaffen würden. Geschafft haben wir es natürlich, wir sind hier, uns fehlt nichts, wir haben uns eingerichtet. Aber es geht ja nicht nur darum. Es geht darum, ob man sich wohlfühlt, obs einem auch seelisch gut geht. Und das kann man vorher nicht wissen, wir wussten es auch nicht und bis jetzt war es für mich auch nicht so. Aber jetzt fällt es mir leichter. Das kam also mit der Zeit, oder mit den Erfahrungen.
Es geht doch jedem darum, sein Leben so angenehm und lebenswert wie möglich zu gestalten.
Und hier hab ich das in der Hand. Natürlich innerhalb des Möglichen. Und dieses "Mögliche", diese Gesamtheit der Möglichen, die vom System, von der Kultur und vom Land abhängt, ist hier in Chile natürlich komplett anders als in Deutschland. Das hab ich erst jetzt verstanden. Bisher habe ich viel verglichen: Warum ist das hier nicht so wie in Deutschland? Wie ist es besser, so wie es hier gemacht wird oder so wie in Deutschland? Aber jetzt verstehe ich, dass es gar nicht darum geht, zu vergleichen. Es geht darum, das Jetzt zu gestalten. Und dafür muss man es verstehen. Deshalb freue mich über jede Kleinigkeit, die ich über Chile lerne, ob über eigene Erfahrungen, Austausch mit Freunden, Fernsehen oder Meinungen im Internet. Und über Deutschland lerne ich hier auch viel dazu: Durch den Umstand, weg zu sein, macht man sich umso mehr Gedanken über sein Heimatland und sieht es aus einem anderen Blickwinkel. Und da ist mir ein Fernsehsender besonders hilfreich: Deutsche Welle (DW-TV). Den schau ich, wenn ich Zeit hab, begeistert an. Es ist ein Kanal, der speziell für Deutsche im Ausland konzipiert ist. Und ich finde, es ist ein sehr erfolgreiches und inspirierendes Konzept. Auch im Internet findet man interessante Sichtweisen. Das, was ich da sehe, empfinde ich als besonders bereichernd. Das ist wie auf mich zugeschnitten. Die Art, wie die Dinge präsentiert werden, ist etwas besonders. Kann es nicht so genau definieren, was den Kanal so begeisternd macht und warum die Sendungen mir so viel geben. Hier im chilenischen Fernsehen gibt es kaum Reportagen, das meiste ist auf Unterhaltung ausgerichtet. Und diese Art von Fernsehen ertrage ich nicht. "Unterschichtenfernsehen" ist da wohl das richtige Wort für. Naja, um wieder darauf zurück zu kommen, was mein Leben hier bereichert: Es gibt eine Menge Dinge, die das Leben lebenswert machen. Man muss sie nur als solche sehen. Wenn ich mich jetzt so direkt frage, wie ich mein Leben lebenswert mache, fallen mir zuerst materielle Dinge ein: Mein Haarshampoo, was ich mir gekauft hab. Was besonderes. Meine tollen Stiefel. Ein paar coole Klamotten, die ich gern anziehe. Wenn man wenig hat, so wie ich im Moment, da wird alles wertvoll.
Ausserdem meine Lieblings-Süssigkeiten, Bonbons oder Kekse. Hier ist bei weitem nicht alles lecker, es kommt durchaus vor, dass wenn man sich im Supermarkt was kauft, schmeckt es einfach nicht und man fragt sich, wie andere sowas essen können. Deswegen freu ich mich immer, wenn ich was leckeres hab. Dazu zählen natürlich auch die köstlichen Essen, die Marco zubereitet. Und wenn es nur Nudeln mit Tomatensauce ist. Aber Marco weiss schon, wie man daraus was besonderes macht.
Was mich natürlich am meisten glücklich macht, ist die Zeit zusammen mit Marco. Dass wir Zeit füreinander haben, sie geniessen können und wir immer (naja so gut wie immer) Harmonie bei uns zuhause haben. Wir tun uns gegenseitig gut.
Und dann gibt es noch viele Kleinigkeiten, Momente, die einen glücklich machen und einen dazu bringen, still in sich hinein zu lächeln, von Glück erfüllt. Eine Liste davon kommt morgen.
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